Stele – Priwall Ostseestrand

Priwall – Strand / ehemalige innerdeutsche Grenze

Die innerdeutsche Grenze teilte hier den Strand: der Priwallstrand gehörte zur Bundesrepublik, der Strand von Pötenitz war DDR – Territorium und Sperrgebiet, für die Bevölkerung absolut gesperrt. Am FKK – Strand herrschte im Sommer reger Badebetrieb, beobachtet von den DDR – Turmposten. Die Ostseite blieb gespenstisch leer. Touristen kamen zum Priwallstrand, um auf die Grenzanlagen zu schauen.

Grenzanlagen gab es seit Kriegsende im Mai 1945. Einfache Holztürme und Stacheldraht dienten der frühen Bewachung, zunächst durch die Briten, später durch sowjetische Besatzungstruppen. 1950 übernahm die ‚Grenzpolizei Nord‘ der DDR die Grenzsicherung, später die Grenztruppen der Nationalen Volksarmee (NVA).

Diese Stele steht nahe des ehemaligen ‚Wachturms 1 Pötenitz/Priwall‘. Travemünde im freien Westen war nah, der Weg für vermeintliche Flüchtlinge über das Wasser kurz. Der Abschnitt Pötenitz / Priwall war einer der am stärksten gesicherten Grenzabschnitte innerhalb der DDR. In den Dünen standen bis 1967 mindestens 5 verschiedene Wachtürme aus Holz, alle mit Scheinwerfern bestückt. Der Bundesgrenzschutz markierte den Grenzverlauf mit einer rot-weißen Absperrkette auf rot-weiß gestreiften Pfosten und Schildern mit Warnungen vor Schusswaffengebrauch.

1969 erfolgte der Ausbau der Grenzanlagen: ein 9 Meter hoher Rundturm aus Beton mit Kanzel und Scheinwerfer wurde ca. 100 m östlich von hier errichtet. Beobachtungsbunker, Grenzsignalzaun I und II, Hundelaufanlage und Lichttrasse sowie mindestens 6 Signal-drähte in unterschiedlicher Höhe waren quer über den Pötenitzer Strand gespannt, dazwischen Stacheldrahtrollen. All das sollte Fluchten in den Westen unmöglich machen.

Ein neuer Wachturm mit quadratischem Grundriss, 11 Meter hoch, ragte seit März 1985 über den Strand, bestückt mit neuester Video- und Kameratechnik, Fernrohr und Suchscheinwerfern.

Dem Sturm zum Ende der friedlichen Revolution am 9. September 1989 hielt auch die neue Grenzanlage nicht Stand. Das Tor zum Strand von Pötenitz wurde am 3. Februar 1990 geöffnet.

(Text: Christine Vogt-Müller)

> Literaturhinweis: Bodo Müller und Christine Vogt-Müller: „Über die Ostsee in die Freiheit“
Christine Vogt-Müller: „Hinter dem Horizont liegt die Freiheit“
Dorian Rätzke: „Zwischen Stacheldraht und Strandkorb“

Dramatische Grenzgeschichten

20.6.1966: Ein Schuss zerriss den Frieden am FKK – Strand. Ein 39-jähriger portugiesischer Gastarbeiter verstand offensichtlich die Warnschilder nicht und geriet – unbekleidet – auf DDR-Gebiet, wo er sofort festgenommen wurde.

Aus einem Dienstbucheintrag der Wasserschutzpolizei Travemünde vom 20.6.1966

14.10.1966: Ein Bauer aus Pötenitz überwand in der Nähe des östlichen Nachbarorts Rosenhagen die Sicherungsanlagen und lief Richtung Priwall. Er überwand 6 Drahtsperren und Stacheldrahtrollen und gelangte bis ca. 80 m vor den Grenzzaun. Vom Hochstand aus wurde er von einem Posten entdeckt. Warnschüsse trieben den Mann zur Umkehr. Er wurde festgenommen und zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt.

MfS BV Rostock, Außenstelle HRo, AU 172/67, Bd. I, Bl. 93-94

Mitte der 1970-er Jahre , Hochsommer. Der FKK-Strand war voll, es herrschte Niedrigwasser. Ein junger Mann lief – unbekleidet – entlang der Absperrkette ins Wasser und um die Kette herum in DDR-Gebiet. Besorgte Badegäste riefen ihn – vergeblich – zurück. Er reagierte nicht. Ein Posten kam mit vorgehaltener Kalaschnikow auf den nackten Mann zu. Er musste die Hände hochnehmen und stand so etwa eine halbe Stunde im Wasser. Nach weiteren etwa 30 Minuten durfte er auf das Gebiet der Bundesrepublik zurückkehren. Der junge Mann war Brite, der kein Deutsch verstand.

Günter Z, Dassow 2016

3.9.1989: Am Nachmittag konnten Strandbesucher beobachten, wie die Fähre „Peter Pan“ nach Travemünde einlief, dann aber direkt wieder wendete. Ein Grenzschiff fuhr mit Vollgas auf die Fähre zu, jagte den in die Freiheit schwimmenden Flüchtling Mario W. Er war von Boltenhagen aus 20 Stunden über die Ostsee geschwommen und am Ende seiner Kräfte. Die bundesdeutschen Retter waren schneller und konnten ihn retten. Mario W. war der letzte bekannt gewordene Ostseeflüchtling.

Mario C, Celle, 2003