Stele – Teschow

Teschow

Versteckt im Wald, auf der Halbinsel Teschow, liegt das idyllische Runddorf gleichen Namens. Als Tescowe wurde der Ort slawischen Ursprung erstmals 1194 erwähnt. Heute gehören das Dorf und die Halbinsel zu Mecklenburg-Vorpommern, die angrenzenden Gewässer zu Lübeck.

Seit dem 1. Juli 1945 lag die Halbinsel mit dem Dorf Teschow in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren DDR. Die Sowjets richteten ihre Kommandantur in der Schule ein. Aus Angst vor Repressalien der Besatzer flüchteten die Besitzer von vier Hofstellen. Später brannten zwei Höfe ab, andere verfielen.

Um die zunehmende Flucht der DDR-Bürger in den Westen zu stoppen, wurde 1952 die Grenze zur Bundesrepublik durch ein 5-km-tiefes Sperrgebiet und einen 500-m-breiten „Schutzstreifen“ abgeriegelt. Letzteren durfte man nur mit Sondergenehmigung betreten oder befahren. Im „Schutzstreifen“ lag auch die Halbinsel Teschow mit ihren 207 Einwohnern. Die einzige Zufahrt wurde mit einem Schlagbaum und einem Kontrollposten gesperrt.

Jeder Bewohner wurde 1952 registriert und erhielt zwei Sonderstempel in den Personalausweis – den Sperrgebietsstempel der Volkspolizei und den Stempel der Grenzpolizei für den Schutzstreifen. Wollten die Teschower in einen anderen Ort zum Einkaufen, zur Arbeit oder zum Arzt usw., durften sie nur mit Ausweis passieren. Dann waren sie im Sperrgebiet. Wollten Teschower das 5-km-tiefe Sperrgebiet verlassen mussten sie wieder eine Grenzkontrolle erdulden. Auch Arzt, Krankenwagenfahrer, Handwerker und Bauern durften nur nach Ausweiskontrolle und unter Aufsicht eines Grenzers auf die Halbinsel. Engste Angehörige wie Kinder, Geschwister oder Eltern benötigten Passierscheine für einen Besuch. Um 22 Uhr schloss man das Tor. Seit Anfang der 1970er Jahre wurden die Sperranlagen erneuert und verstärkt. Der Grenzzaun wurde teilweise sogar gegen Untertunnelung und Überklettern gesichert. Die DDR-Elite ging auf Teschow zur Jagd. Teschow war 37 Jahre Sperrgebiet im Sperrgebiet.

Grenzer des 2. Grenzkommandos Selmsdorf bewachten diesen Abschnitt. Zahlreiche freiwillige Helfer und inoffizielle Mitarbeiter spitzelten für die Grenztruppen, die Volkspolizei und die Staatssicherheit.

Von den Zwangsaussiedlungen nach dem Mauerbau am 13.8.1961 in Berlin waren auch Teschower Familien betroffen, sogar eine hochschwangere Frau und ihr Ehemann, der nicht der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) beitreten wollte. Mitten in der Nacht wurden sie nach Rügen deportiert.

Die meisten Teschower Bauern arbeiteten seit der Zwangskollektivierung Ende der 1950er Jahre für die LPG im Stall oder auf den Feldern. Einige betrieben Schafzucht. Seit dem Zusammenbruch der DDR 1989/1990 sanieren zurückgekehrte, einheimische und neue Eigentümer Höfe und Häuser. Heute ist Teschow ein idyllisches Dorf.

(Text: Christine-Vogt-Müller)

*Literaturhinweis: Karen-Meyer Rebentisch: „Grenzerfahrungen, Dokumentation“, 2009. Hrsg. Hansestadt Lübeck
Christiane Woest: „Selmsdorf Geschichte und Geschichten. Ein Heimatbuch“, Bd. 1. Hrsg. Gemeinde Selmsdorf, 2017

EINIGE GRENZEREIGNISSE

Das Sperrgebiet mit Dassow, Teschow und Selmsdorf zählte zu den am schärfsten bewachten Grenzgebieten im Norden der DDR. Nur wenige Menschen schafften eine Flucht.

19.7.1962: Rainer S. (21) aus Sachsen überwand die Sperranlagen am Ostufer der Teschower Halbinsel. Er schwamm durch den Dassower See (BRD). Vom nahen Wachturm schossen die Posten. Lübecker Fischer und die Wasserschutzpolizei Travemünde retteten den Flüchtenden.

6.5.1978: Der 22-jährige Hans Erich David, sein jüngerer Bruder und der 16-jährige Kai B. aus Schleswig-Holstein trieben gegen 19:00 Uhr manövrierunfähig vor der Teschower Spitze im Dassower See. Schwimmend retteten sie sich ans Teschower Ufer. Der Grenzzaun I versperrte den Zugang zum Dorf. Auf die Hilferufe reagierten Grenzer erst nach ca. zwei Stunden. Hans-Erich David konnte nur noch tot geborgen werden.

3.8.1986: Der Teschower André W. schmuggelte auf der Rückbank seines Trabis einen Freund auf die Halbinsel. Im Schutz des reifen Korns krochen sie in Richtung Trave. Mit Hilfe einer 2,3-m-langen Leiter kletterten sie über den Grenzzaun I und erreichten die Trave (BRD). Ein Lübecker Segler rettete die Beiden.